Geräte-Test Line-Vorverstärker "Continuance No.84"
mit Mono-Endverstärker "Fusion No.700"
(die Fusion No.700 ist der "kleine Bruder" und Vorläufer des
momentan in Entwicklung befindlichen Modelles Fusion No.9000)
Die Fachzeitschrift "HIFI & RECORDS" schreibt:
Das Beste aus zwei Welten
Die einen schwören auf Röhren, die anderen vertrauen auf Transistoren. Beide Welten haben das gemeinsame Ziel, aus Musikkonserven echte Musik zu zaubern. Lange Zeit hatte es den Anschein, dass der modernere Transistor die alte Röhre vollständig verdrängen würde. Bis aus heiterem Himmel plötzlich die Erkenntnis fiel, dass Emotion per Röhre mehr bewegen könne als Leistung ohne Ende vom Transistor. Mit einem Schlag war High End ohne Trioden-Verstärker nicht mehr machbar. Und dies bis zum Exzess, mit Röhrenverstärkern zum Preis eines schicken Autos. Trioden-Euphorie pur, immer wirkungsgradstarke Lautsprecher vorausgesetzt. Da die jedoch ziemlich rar sind, flaute die Begeisterung in den letzten Jahren dann doch wieder deutlich ab. Zwischenzeitlich befinden wir uns im Zeitalter friedlicher Koexistenz von Glühkolben und Silizium-Dampfhammer und gestehen mitunter auch dem Transistor zu, was vorübergehend nur seinem Vorläufer zugetraut wurde - die Fähigkeit, Emotion zu transportieren. Offenbar kommt es doch mehr aufs Know-how als auf die Art des aktiven Verstärkungselements an.
Diese Erkenntnis könnte das Motto von WBE sein, schaut man sich deren Top-Verstärker an. Seit nunmehr 20 Jahren baut WBE-Chef Walter Bret auf der Grundlage gestandener Ingenieurskunst Lautsprecher, Verstärker aller Arten und neuerdings auch Wandler. Vom Lilliput mit heißen 7,5 Class-A-Watt an acht Ohm bis zum Fusion No.700 mit 190 Watt an acht Ohm, vom Line-Vorverstärker Purist No.48 bis zum Top-Line-Vorverstärker Continuance No.84. Von den zahlreichen Zwischenvarianten gar nicht zu reden, geschweige denn von den Phono-Preamps, deren Spitzenvertreter Consequence No.96 sich Helmut Rohrwild zur Brust nimmt.
Gemeinsam ist den Verstärker-Topstars Continuance und Fusion mit den Hausnummern 84 und 700 die Vereinigung der so gegensätzlichen Welten Röhre und Transistor. Diese Verstärker gehören zu der Gattung der Hybride. Zielvorgabe bei der Entwicklung war keineswegs, so Bret, mit den Röhren gewissermaßen das Salz der Raffinesse in die Suppe zu rühren oder der klanglichen "Kühle" der Transistoren durch die "Wärme" der Röhren entgegenzusteuern. Schon gar nicht, einem Transistorkonzept Emotion einzupflanzen. Ein überzeugter Techniker und ein bodenständiger Schwabe ist für so einen eher esoterischen Ansatz auch nicht zu haben. Da geht alles mit rechten Dingen zu. Klang aus Technik ist angesagt. Und die Frage, die sich stellt, lautet: Was kann die Röhre und was kann der Transistor am besten?
Klare Sache für Walter Bret. Die Röhre ist der optimale Spannungserzeuger, der Transistor ist der bessere Stromlieferant. Gesagt, getan. Und dazu eine kräftige Brise Know-how, fertig sind die Schwaben-Verstärker. Stark verkürzt könnte man das tatsächlich so sehen, doch das würde dem Aufwand bei der Entwicklung und der Abstimmung der glaubwürdig aufspielenden HiFi-Komponenten nicht gerecht werden. Denn mit genau solchen haben wir es hier zweifelsohne zu tun.
In den Eingangsstufen des Vorverstärkers Continuance No.84 werkeln zwei Doppeltrioden vom Typ E83CC, um die Amplitude der Eingangssignale aufzupäppeln. In den Ausgangsstufen übernehmen Halbleiter in Class-A-Technik die Stromverstärkung und Impedanzwandlung hinunter auf wenige Ohm. Wenn hier von Halbleitern die Rede ist, sind integrierte Schaltkreise (ICs) gemeint. Bei WBE hat man keine Berührungsängste mit diesen Bauteilen, die es in hervorragender technischer (und klanglicher) Qualität gibt. Wer möchte, kann den Continuance auch mit symmetrischen Ausgängen (Sonderanfertigung)* bekommen. Mit fünf Line-Eingängen, zusätzlichem Tape-Eingang und einer Monitorschaltung ist der Praxis mehr als Genüge getan. Die gesamte Verstärkerschaltung soll ohne Überalles-*Gegenkopplung und mit kleinstmöglicher Anzahl an Bauteilen in den Signalwegen arbeiten.
Bei den Mono-Endstufen, den Fusion No.700, stößt man auf dasselbe Grundkonzept mit Doppeltrioden in der Vorstufe, nur übernehmen anstelle der Class-A-Halbleiterschaltung nicht weniger als zwölf extrem schnelle Mosfets pro Mono-Ausgangsstufe die Stromverstärkung. Selbstredend gibt es an Bord jeder Fusion getrennte Netzteile für Röhren und Transistoren. Eine Schutzschaltung sorgt im Falle eines Falles dafür, dass den Boxen kein Leid zugefügt wird. Das alles ist solide und ohne Design-Firlefanz verpackt in massiven schwarzen Gehäusen mit mächtigen Kühlrippen. Massive Starkstromklemmen mit griffigen Stellflügeln nehmen sich der Kabelschuhe von Lautsprecherstrippen dauerhaft und zuverlässig an. Kontaktprobleme kennen diese Anschlüsse nicht.
Die Vorstufe kommt uns gar dreiteilig mit zwei getrennten, ausgelagerten Netzteilen, eines für die Transistor- und eines für die Röhrensektion. Nobel, nobel. Die Anschlusskabel der beiden kleineren Netzteilgehäuse an den "Master", die eigentliche Vorstufe, sind sehr kurz gehalten. Das müsse so sein, um klangliche Verluste zu vermeiden und optimale Dämpfung sicher zu stellen. Bleibt für die beiden "Sklaven" nur Platz nahe am Master. Da EM-Streufelder beim Line-Verstärker nicht so kritisch sind wie bei einem Phonoprepre, kann man damit aber leben. Besser als Trafos im Master ist diese Lösung in Sachen Einstreuung allemal. Im Übrigen hält Bret nicht sonderlich viel von steckbaren Netzkabeln, sie sind deshalb bei WBE-Geräten grundsätzlich "angewachsen". Das erlaubt dem Entwickler, Kabellänge und -art in sein Konzept einzubeziehen. Und nicht zuletzt: Ja, die Lautstärke des Continuance ist fernbedienbar. Unerwartete, extreme Dynamiksprünge auf der CD lassen sich so bequem vom Sessel aus beherrschen.
Womit wir zum Hörtest kommen. Seit kurzem begeisterter Besitzer von zwei Gamut-Endstufen, konnte ich es mir nicht verkneifen, die Fusion gegen die Gamut antreten zu lassen - auch wenn der Vergleich aus Kostengründen hinken muss. Und siehe da, die WBEs kommen verdammt nahe an die fast doppelt so teuren Dänen heran, wenn es darum geht, den Thiel CS 6 ordentlich Dampf zu machen: quirlig in den Höhen, nachdrücklich und konturiert im Tiefbass, dabei angenehm warm in den Mitten. Als harter Prüfstein eignet sich bestens der "Feuervogel" mit dem Atlanta Symphony Orchestra unter dem zwischenzeitlich verstorbenen Robert Shaw. Diese Aufnahme stammt aus der Steinzeit der digitalen Aufnahmetechnik und wurde von Telarc auf einem 50 Kilohertz-Master produziert, das der aktuellen Hybrid-CD zugrunde liegt. Schon die CD-Version klingt fulminant. Den Atem nimmt es einen jedoch erst so richtig, wenn man auf SACD umschaltet. Welch ein Quantensprung. Grummeln die Bässe auf CD zwar keineswegs unkonturiert vor sich hin und scheint der Ton - wie eine etwas zu große Geistererscheinung - merkwürdig losgeläst von den Instrumenten, so sind Ton und Instrumente in der SACD-Version völlig eins. Hier sind die einzelnen Instrumente der Bassgruppe körperhaft als veritable Schallerzeuger diskret lokalisierbar. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Zumindest wenn ein kompetenter Player wie der Clockwork-getunte Sony SCD-XB940 die Scheibe dreht. Und wenn die Endstufen zeitlich so auf den Punkt kommen wie die Fusion-Monoblöcke. Folgen wir noch ein wenig dem Feuervogel. Wenn die Streicherschar von den Klarinetten getrieben den Tanz des Feuervogels in aufgeregten Arpeggien vorantreiben, ist strammes Timing die erste Pflicht der Stromlieferanten. Da verlieren weniger versierte Endstufen als die WBEs leicht den Überblick, und aus dem mächtigen Feuervogel werden dann aufgeregte Hühner. Zur Nagelprobe für die kurzfristige Stromlieferfähigkeit von Endstufen wird der Höllentanz des bösen Buben Kastschei mit dem infernalischen Aufschrei des Orchesters zu Beginn des wilden Tanzes und den gewalttätigen, das Zwerchfell zum Schwingen anregenden Schlägen auf die große Trommel. Bravourös erledigen die Fusion diese Aufgabe.
Kontrastprogramm im "Wiegenlied". Mit samtigen Streichern und beruhigend singendem Fagott wird die aufgewühlte Seele des Zuhörers sanft ins farbig schillernde Finale geleitet. Hier ist Emotion angesagt. Und auch die liefern die Fusion überzeugend und ohne Wenn und Aber. An diesen Endstufen gibt es wirklich nichts zu kritteln. Im Gegenteil. Sie sind genau die Richtigen für alle, die von Endstufen Agilität und Biss verlangen.
Gehört wurde bislang unmittelbar über den regelbaren Ausgang des dCS-Wandlers Delius. Was passiert, wenn bei gleichem Programm zwischen Delius und Endstufen der Continuance geschaltet wird? Treibt die WBE-Vorstufe die Gamut-Monos, wirkt das Geschehen im Unterschied zur direkten Ansteuerung ein wenig kühler, dafür legen die Thiels deutlich an Straffheit zu - ein klarer Fall von Geschmacksache. Auf jeden Fall aber eine Frage der Vor-Endstufen-Kombination. Koppelt man nämlich den Continuance an die Fusion-Monoblöcke, verblasst der per Gamut gewonnene Eindruck, denn das WBE-Gespann setzt richtig Emotionen frei.
Fazit:
Das Hybrid-Konzept von WBE geht voll auf. Röhre und Transistor zeigen im Vorverstärker ebenso wie in den Endstufen, dass in trauter Zweisamkeit Musik entsteht. Und dies ohne den spezifisch röhrigen Sound. Und optimal im Verbund von Continuance und Fusion. Vor- und Endstufen verschmelzen hier zu einer Einheit, die Synergieeffekte freisetzt. Gewissermaßen das Beste aus den zwei Welten Röhre und Transistor im Doppelpack.
Reinhold Martin
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